Der Staats-Anzeiger
Bismarck, North Dakota
2 October 1913
Film 3639, Vol. 8, No. 10, Page 4

Estevan, Saskatchewan, Canada
September 24, 1913

The threshing chores had to be suspended because of unfavorable weather, for on September 23 rain and snow fell in Estevan and in a large surrounding area. Much of the grain is still in the field, and in some places no threshing has been done at all. The farmers were very much concerned after the snowfall, while those that had already threshed took the situation more lightly because they can now get back to plowing the fields. But today we are having good weather. The fog lifted and the sun broke through, though it was unable to do away with the snow entirely. Finally clouds reappeared, and so we can still prepare for more rain. The grain-hauling into Estevan is colossal and the grain prices, which at the beginning promised to be better than last year, are constantly falling. The farmers around here expected to be threshing 22-25 bushels per acre, but if the prices don't go up, the income from the bountiful harvest will again not go very far. The cost of groceries has risen dramatically and is still going up, which is hard to understand in view of the low grain prices. The daily pay for one man's work is soon becoming insufficient to care for his family. Not only groceries, but also everything else is getting more expensive. It looks like the salesmen and the merchants want to become millionaires quickly, and to suck the working people completely dry. That is already not far off. At least, I have never seen prices this high before.

Travelers are saying that the Saskatchewan Province is enjoying a record crop, which can supply half of the world with bread, but I don't believe it. After all, Canada does have to sing its own praises.

On October 8 I will leave Estevan again to move to a new place. I ask those who exchange letters with me to address them as follows: Anton Jochim, Timmer, North Dakota. I ask the editor to send the paper there too. On my trip I will visit editor F. L. Brandt in Bismarck, and in doing so will see Bismarck, the capital city of North Dakota, for the first time, and I will stay there for at least two days. I will also take advantage of the opportunity to look up my godfather, Peter Steckler in Richardton, North Dakota, who still owes me an answer to a letter written in December of last year. My wife and I send him and his family sincere greetings.

Also, tell Clemens Gross in Brazil, North Dakota that I have not as yet received any information about his resolution and therefore I don't know how I can fulfill my promise to him. I ask Mr. Gross not to delay any longer in answering, or I might be forced to go back on my word because I have already forgotten various questions that he posed in his letters. I would like to have information about this within 14 days.

Sincere greetings to the editor and to my dearest colleague, Romuald Dirk.

Today, while I was still busy with correspondence, my old friend Joseph Weber of Marienthal visited me, to my great delight. We spoke about Der Staats-Anzeiger and I notice that Mr. Weber has faithfully and firmly preserved his old dependence on that beloved newspaper. Many thanks for the visit, my dear friend!

Anton Jochim

Irma Katz Collection, Skokie, Illinois
Translation by Raymond C. Backes, Altadena, California, July 2003
© 2003 by Raymond C. Backes
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Die Drescharbeiten mußten infolge ungünstiger Witterung vor der Hand eingestellt werden, denn am 23. September gingen in Estevan und weiter Umgebung Regen und Schnee nieder. Es sitzt noch viel Getreide auf dem Felde und vielerorts wurde noch garnichts gedroschen. Infolge des Schneefalls zeigten die Farmer schon recht ernste Mienen, während solche, die bereits gedroschen haben, die Sache leichter nehmen, denn solche können nun wieder mit dem Pfluge ins Feld ziehen. Heute aber herrsched wieder gutes Wetter; der Nebel theilte sich, die Sonne brach durch, vermochte [vermögte] aber doch nicht, den gefallenen Schnee gänzlich wegzulecken, und schließlich erschienen wieder Wolken, sodaß man sich immerhin auf mehr Regen gefaßt machen kann. Die Getreidezufuhr nach Estevan ist geradezu kolossal und die Fruchtpreise, die anfänglich besser als voriges Jahr zu werden versprachen, sinken immer mehr. Die Farmer hier herum wollen 22 bis 25 Buschel Weizen zum Acker gedroschen haben. Sollten die Preise aber nicht steigen, wird der reiche Erntertrag doch wieder nicht weit ausreichen. Die Lebensmittelpreise sind fabelhaft gestiegen und gehen noch immer höher. Bei den niedrigen Fruchtpreisen ist das unverständlich. Fast reicht das tägliche Verdienst eines Mannes nicht mehr aus zum Unterhalt der Familie. Aber nicht allein Lebensmittel, sonder auch alles andere ist im Preise gestiegen. Es scheint die Händler und Verkäufer wollen rasch Millionäre werden und das arbeitende Volk gänzlich aussaugen. Weit davon ist es schon jetzt nicht mehr. So hohe Preise habe ich wenigsten noch nie vorher erlebt.

Die Provinz Saskatchewan erzielte, wie Reisende erzählen, eine noch nie dagewesene Ernte, welche der halben Welt genug Brod liefere, aber ich schenke der Sache keinen Glauben, weil Canada sich ja selbst loben muß.

Am 8. Oktober werde ich Estevan wieder verlassen, um neue Stellung zu nehmen und ich ersuche die Herren, welche mitmir in Briefwechsel stehen, Zuschriften zu adressiren wie folgt: Anton Jochim, Timmer, N. D. Den jedesmaligen Adressenwechsel werde ich immer im Der Staats-Anzeiger ankündigen. Ich bitte auch die Redaktion, die Nummern des Blattes nach obengennanter Adresse zu senden. Ich werde auch auf meiner Reise Herrn Redakteur F. L. Brandt in Bismarck besuchen, und so werde ich auch zum ersten Male Bismarck, die Hapstadt Nord-Dakotas sehen, woselbst ich auf meiner Rückreise mich wenigstens zwei Tage lang aufhalten werde. (Die nächstwöchentliche Nummer des Blattes geht also nach Timmer, N. D. Dem Besuche des geehrten Herrn Korrespondenten sehen wir mit Vergnügen entgegen.-Red. Der Staats-Anzeiger.) Auch meinen Gevatter, Herrn Peter Steckler in Richarton, N. D., der mir auf mein Schreiben im Dezember vorigen Jahres noch die Antwort schuldig blieb, werde ich bei der Gelegenheit aufsuchen. Ich nebst Frau übermitteln herzlichen Gruß an ihn und Familie.

Theile auch Herrn Clemens Groß in Brazil, N. D. mit, daß ich bis jetzt über seinen Entschluß noch keine Auskunft erhielt und weiß daher nicht, wie ich ihn mit meinem gegebenen Versprechen befriedigen könnte. Ich bitte Herrn Groß mit seiner Antwort nicht länger zu zögern. Ich würde sonst vielleicht gezwungen, mein Wort zurücknehmen, da schon verschiedene briefliche Anfragen an mich ergingen. In 14 Tagen möchte ich Auskunft haben.

Der Redaktion und meinem theuersten Kollegen Romuald Dirk viele herzliche Grüße.

Nachricht-Heute, während ich noch mit Korrespondiren beschäftigt war, besuchte mich mein alter Freund Herr Joseph Weber aus Marienthal, was mich herzlich freute. Wir sprachen auch über den Staats-Anzeiger und ich bemerkte daß Herr Weber seine alte Anhänglichkeit an dem lieben Blatte noch immer treu und fest bewährt. Besten Dank, lieber Freund, für den Besuch!

Anton Jochim